BÜRGERGELD – PERSÖNLICHE ERKLÄRUNG

BÜRGERGELD – PERSÖNLICHE ERKLÄRUNG

Persönliche Erklärung zur Entscheidung über das Bürgergeld

Wir sind angetreten, mit dem Bürgergeld die größte Sozialreform seit knapp 20 Jahren zu verwirklichen. Wir wollen Schluss machen mit Hartz IV und der damit einhergehenden Stigmatisierung und Entwürdigung bedürftiger Menschen. Deshalb hat der Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen die Menschen in den Mittelpunkt dieser Sozialreform gestellt.

Mit dem Bürgergeld stellen wir die Weichen für essentielle Verbesserungen, die in der Beratung und Unterstützung der Menschen einen spürbaren Unterschied machen werden. Der Vermittlungsvorrang wird zugunsten eines Vorrangs für Qualifizierung abgeschafft. Damit wird es endlich möglich, individuelle und passende Unterstützung anzubieten statt Menschen direkt in schlechte Jobs zu vermitteln. Der Kooperationsplan als neue Grundlage der Zusammenarbeit wird, anders als die bisherige

Eingliederungsvereinbarung, gemein­sam erstellt und nicht einseitig durchgesetzt. Dies und der neu geschaffene Schlichtungs­mechanismus werden zu einer vertrauensvolleren Zusammenarbeit beitragen. Der Stellen­wert von Aus- und Weiterbildung wird deutlich gestärkt. Mit dem Bürgergeldbonus und dem Weiterbildungsgeld erhalten Menschen mehr finanziellen Spielraum, sich zu qualifi­zieren. Endlich kann auch die gesamte Ausbildungsdauer gefördert werden. Das erfolgrei­che Förderinstrument des Sozialen Arbeitsmarktes wird entfristet und unterstützt Men­schen weiterhin niedrigschwellig. Auch das neue ganzheitliche Coaching, das einen besonderen Fokus darauf setzt, junge Menschen in Ausbildung zu bringen, birgt viele neue Chancen. In diesem Bereich findet ein echter Perspektivwechsel statt. Allein deshalb ist die Zustimmung zum Bürgergeldgesetz angezeigt.

Bei den passiven Leistungen werden die Regelsätze künftig besser an die Inflation ange­passt. Mit der Einführung der Karenzzeit sorgen wir dafür, dass Menschen ihre Wohnung und kleinere Vermögen zunächst behalten können, wenn sie in den Bürgergeldbezug kom­men. Das ist ein Sicherheitsversprechen in die Breite der Gesellschaft. In der aktuell schwierigen Zeit sichern wir auch Leistungsbeziehende im Bestand der Jobcenter für ein Jahr ab. Mit geänderten Hinzuverdienstregelungen sorgen wir nicht nur für mehr Möglich­keiten der Selbsthilfe und Arbeitsanreize, sondern schaffen insbesondere für junge Men­schen gerechtere Startbedingungen in ein erfolgreiches Berufsleben.

Die Einigung im Vermittlungsausschuss war notwendig, um das Bürgergeld auf den Weg bringen zu können. Aber damit gehen leider auch deutliche Verschlechterungen für die Betroffenen gegenüber dem ursprünglichen Gesetzentwurf der Ampelkoalition einher.

CDU und CSU haben mit ihrer Blockadehaltung und einer beispiellosen Kampagne schwerwiegende Zugeständnisse erzwingen können: Die Karenzzeit wurde von zwei auf ein Jahr halbiert und das währenddessen geltende Schonvermögen abgesenkt. Die Woh­nung ist nun ein Jahr weniger abgesichert, als von uns geplant – mit entsprechenden Aus­wirkungen auf Personen in längeren Qualifizierungsmaßnahmen. Die Einführung der Ver­trauenszeit wurde vereitelt. In diesem Schutzzeitraum sollten Ängste genommen und der Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung befördert werden. Damit wurde eine große Chance vertan, aufbauend auf dieser Beziehung bessere Ergebnisse bei der nachhaltigen Arbeitsmarktintegration zu erzielen. Außerdem wurden die Möglichkeiten, das Existenz­minimum durch Sanktionen zu kürzen, gegenüber dem Gesetzentwurf der Ampelfraktio­nen wieder erweitert. Besonders enttäuschend ist der weitgehende Erhalt der anlasslosen Sanktionsandrohungen. Wir hatten vehement dafür gekämpft, dass Leistungsbeziehende, die stets kooperieren, wäh­rend ihres Bürgergeldbezuges keine einzige Rechtsfolgen-belehrung mehr lesen müssen. Nun wird allen Bürgergeldempfänger*innen weiterhin mit Sanktionen gedroht, obwohl lediglich eine kleine Gruppe von nur etwa drei Prozent ihren Pflichten nicht immer nachkommt oder nachkommen kann.

Immerhin konnten wir im Gegenzug eine Abmilderung in Form einer Staffelung erreichen:

Bei der ersten Pflichtverletzung werden für einen Monat zehn Prozent vom Regelsatz abgezogen, bei der zweiten für zwei Monate 20 Prozent und bei der dritten für drei Monate 30 Prozent.

Dass das Sanktionsmoratorium beendet wird, bevor die Wirkung von Sanktionen ordentlich evaluiert ist, halten wir für einen großen Fehler.

Die Kompromisse, die wir mit Blick auf die Union im Bundesrat eingehen mussten, schmerzen uns persönlich sehr. Denn sie entspringen dem Irrglauben, dass er­werbslose Menschen die alleinige Schuld an ihrer Arbeitslosigkeit tragen und sie grund­sätzlich mit Druck und Sanktionen zur Arbeit aktiviert werden müssen. In einer beispiel­losen populistischen Kampagne hat die Union Vorurteile gegenüber Arbeitslosen geschürt, Sozialneid befeuert und soziale Kälte bewiesen. Sie bedient damit verbreitete Ressenti­ments und profiliert sich auf dem Rücken der ärmsten Bevölkerungsgruppen. Sie trifft damit auch die rund 1,5 Mio. Menschen, die beispielsweise Kinder erziehen, Angehörige pfle­gen oder gesundheitliche Probleme haben und deshalb nicht arbeiten können. Auf diese vielen Menschen wurde der Blick in der vergifteten Debatte leider viel zu selten gelenkt.

In der Gesamtschau wird sich das Grundsicherungssystem für viele Menschen, die von den aktiven Leistungen im Bürgergeld profitieren, zum Positiven verändern. Auf der Seite der passiven Leistungen hingegen waren weit weniger Reformen möglich, als wir es für notwendig halten. Dennoch sind wir insgesamt davon überzeugt, dass die nun vereinbar­ten Veränderungen Schritte in die richtige Richtung sind. Deshalb stimmen wir der heute vorgelegten Beschlussempfehlung zu.

Dabei halten wir an unseren politischen Grundüberzeugungen und -zielen fest. Die Regelsätze müssen deutlich steigen und wir stehen für die komplette Abschaffung aller Sankti­onen ein. Bereits im nächsten Jahr soll das zweite Gesetzespaket folgen. Dann werden wir am Gesetz weiterarbeiten und für diese und weitere wichtige Vorhaben kämpfen. Dazu zählen konkret die Weiterent­wicklung des Sozialen Arbeitsmarkts und der Arbeitsförderung im Allgemeinen sowie Ver­besserungen bei Hinzuverdiensten, den Regeln für die Wohnkosten und den Bestimmun­gen für Bedarfsgemeinschaften. Wir werden dafür sorgen, dass die Erkenntnisse aus der Evaluation des Sanktionsmoratoriums Berücksichtigung finden. Und natürlich werden wir weiter dafür streiten, dass mit dem Bürgergeld ein Existenzminimum gesichert wird, das soziale Teilhabe und die Würde jedes einzelnen Menschen garantiert.

Die Unterzeichenden

  • Stephanie Aeffner, MdB
  • Beate Müller-Gemmeke, MdB
  • Sven Lehmann, MdB
  • Sabine Grützmacher, MdB
  • Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, MdB
  • Susanne Menge, MdB
  • Denise Loop, MdB
  • Corinna Rüffer, MdB
  • Nyke Slawik, MdB
  • Prof. Dr. Armin Grau, MdB
  • Frank Bsirske, MdB
  • Jamila Schäfer, MdB

Armutsfeste Grundsicherung in der EU

Armutsfeste Grundsicherung in der EU

  1. WP – 28.09.2022

 Empfehlung der EU-Kommission: Signal für armutsfeste Grundsicherung in der EU

Anlässlich der heute vorgeschlagenen „Empfehlung für ein angemessenes Mindesteinkommen zur Gewährleistung einer aktiven Inklusion“ erklären Sabine Grützmacher, Obfrau im Ausschuss für Angelegenheiten der EU und Wolfgang Strengmann-Kuhn, Obmann im Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Nachdem die EU bereits eine Rahmenrichtlinie für Mindestlöhne beschlossen hat, ist es Zeit für einen weiteren Schritt zur Vermeidung von Armut, nämlich eine Regelung für die Grundsicherung in der EU. Die EU-Kommission hat heute ein wichtiges Signal gesetzt, das allerdings nicht ausreicht. Wie beim Mindestlohn auch, ist bei der Grundsicherung eine Richtlinie die bessere Maßnahme. Trotzdem ist es gut, wenn sich nun die Mitgliedstaaten über gemeinsame Leitlinien für die Grundsicherungssysteme einigen. Wir werden uns in dem Prozess für hohe Standards für armutsfeste Grundsicherungen in der gesamten EU einsetzen.

On the Road – Wo stehen wir in Sachen Bedingungsloses Grundeinkommen?

On the Road – Wo stehen wir in Sachen Bedingungsloses Grundeinkommen?

Während im Ringen um das Konzept Bedingungsloses Grundeinkommen die einen von wirtschaftlicher Freiheit träumen und andere die Abschaffung des Sozialstaats fürchten, wandelt sich abseits des Scheinwerferlichts bereits der Sozialstaat. Kindergrundsicherung, Sanktionsmoratorium, Bürgergeld, Bafög-Änderungen, Rückzahlung des CO2-Preises – Was passiert da? Sehen wir vereinzelte symbolische Akte oder einen substantiellen Neuanfang? Kündigt sich ein harter Paradigmen- und Politikwechsel an oder erodiert das System schleichend? Was sind Treiber dieses Wandels, welche Rolle spielte Corona, wo liegen die Kipp-Punkte des alten Systems und welche Risiken bringt auch ein langsamer Wandel mit sich? Bilden diese eher kleinteiligen Bausteine bereits die Basis einer Grundeinkommens-Infrastruktur, die zukünftig sowohl der Scham verdeckter Armut, aber auch Gründer*innen Sicherheit und damit Mut zum Neubeginn ermöglichen?

Mehr dazu im Video:

 

Das Grundeinkommen und der Blick über den Tellerrand

Das Grundeinkommen und der Blick über den Tellerrand

Veranstaltung zum Grundeinkommen im Entwicklungskontext.

Titel: Soziale Sicherheit in der deutschen und internationalen Entwicklungsdebatte: Welches Potenzial hat die Idee des Grundeinkommens?

Durch die Corona-Pandemie hat sich in Niedriglohnländern nicht zuletzt die wirtschaftliche Situation vieler Menschen massiv verschlechtert. Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) hat sich im Juli 2020 für ein vorübergehendes Grundeinkommen ausgesprochen, um die Effekte des Virus und der wirtschaftlichen Einschränkungen zu dessen Bekämpfung abzumildern. Gleichzeitig haben sich auch ranghohe UN-Beamte für ein Grundeinkommen stark gemacht. Doch in der entwicklungspolitischen Debatte bezüglich sozialer Sicherheit spielt das Grundeinkommen nicht erst seit Beginn der Pandemie eine spannende Rolle.Die Debatte um die Relevanz sozialer Sicherungssysteme reicht weiter. Gerade in der aktuellen Krisensituation wird deutlich, wie wichtig soziale Sicherung für den Erhalt der Lebensgrundlagen, für Gesundheit und Ernährungssicherung sind. Dort, wo sie fehlen, sind die Krisenauswirkungen verheerend. Mit den folgenden Gästen wollen wir diskutieren, welche Bedeutung menschenrechtsbasierte soziale Sicherungssysteme und dabei speziell die Idee des Grundeinkommens in der grünen, der deutschen und internationalen Entwicklungspolitik zur Zeit haben.
Als Panelist*innen diskutieren:

Luise Steinwachs (Brot für die Welt und VENRO)
Markus Kaltenborn (Institut für Entwicklungsforschung und -politik, Ruhr-Universität Bochum)
Wolfgang Strengmann-Kuhn (Sprecher für europäische Sozialpolitik der Grünen Bundestagsfraktion)

Die Moderation übernimmt Pegah Edalatian, Sprecherin der BAG Globale Entwicklung & Mitglied im Parteirat von Bündnis90/ Die Grünen

Ein Webinar der BAG Globale Entwicklung & des Grünen Netzwerk Grundeinkommen

Anmerkung: Streaming- und der Anmelde-Link werden noch folgen. Bis dahin findet ihr die Veranstaltung auf Facebook:
https://www.facebook.com/events/227539259144282/